VON USHUAIA GEN NORDEN

2. Etappe: Auf der Carretera Austral

08.02. bis 15.02.2020

Vom Parque Patagonia ging es weiter auf der Ruta 7 in Richtung Süden. Die Ruta 7, auch als Carretera Austral bekannt, ist eine der Traumstraßen der Welt. Chiles „Süd-Landstraße“ beginnt in der Hafenstadt Puerto Montt und endet nach 1247 km in Villa O’Higgins am Lago O’Higgins und Patagoniens größtem Eisfeld. Irgendwann soll die Carretera Austral nach Feuerland weitergebaut werden, aber zurzeit ist sie noch die längste Sackgasse in Chile.

Unser Plan war, zuerst zum Ende der Ruta 7 zu fahren und dann von dort Richtung Norden.

Das erste Stück der Carretera Austral hat uns nicht besonders begeistert. Die Strecke bis Cochrane war nur teilweise asphaltiert und relativ stark befahren. Es hatte wohl längere Zeit nicht geregnet, dadurch staubte es auf den unbefestigten Stücken sehr stark, wenn ein Fahrzeug darüberfuhr.

In Cochrane besuchten wir verschiedene Gemischtwarenläden, um uns mit Lebensmitteln einzudecken und möglichst lange unabhängig zu sein. Wir wussten ja nicht, wie die Versorgungsmöglichkeiten weiter südlich sein würden. Am besten gefiel uns die Ferretería am Zentralplatz, eine Art Baumarkt mit angeschlossenem Supermarkt.

Wir hatten schon vor der chilenischen Grenze unsere argentinischen Movistar SIM-Karten in den Handys gegen die chilenischen ausgetauscht und eigentlich bereits im Parque Patagonia wieder auf Empfang gehofft, da wir von unserem ersten Aufenthalt in Chile und Gesprächen mit anderen Reisenden wussten, dass dort der Empfang besser ist als in Argentinien. Aber nichts tat sich. Dagmar war überraschenderweise weiter mit Movistar Argentinien verbunden und erhielt von dort per SMS Informationen zu den Roaminggebühren. Bei Wolfgang funktionierte nur die Vodafonkarte. Wir führten es darauf zurück, dass bei ihm die Guthabenkonten beider Movistar SIM-Karten leer waren. Wolfgang ließ deshalb bei Cruz Verde das Guthabenkonto seiner chilenischen SIM-Karte aufladen, trotz 10.000 Pesos Fehlanzeige.

Wir tankten dann noch und verließen Cochrane Richtung Süden, um einen im iOverlander beschriebenen Stellplatz abseits der Carretera Austral an der X 901 aufzusuchen. Auf der Fahrt dorthin staubte wieder schrecklich, die eigentlich schöne Vegetation rechts und links Straße war dadurch auf breiten Streifen dick mit grauem Staub bedeckt, kein schöner Anblick. Der Stellplatz war gut und ruhig.  Beim Abendessen beschlossen wir, unsere Fahrt auf der Carretera Austral bei diesen Straßenverhältnissen nicht weiter nach Süden fortzusetzen. Nach Argentinien zurückzufahren, war für uns auch keine Option. Wir wollten nun, was immer auf uns zukommen würde, auf der Carretera Austral Richtung Norden bis Chaitén durchhalten und dann mit der Fähre zur Insel Chiloé übersetzen.

Am nächsten Tag legten wir nochmal ein Stopp in Cochrane ein. Wir hatten von anderen Langzeitreisenden gehört, dass Entel in Chile eine noch bessere Netzabdeckung haben soll als Movistar. Am Vortag hatten wir am Eingang der Ferretería einen Stand gesehen, an dem man SIM-Karten von Entel kaufen konnte. Obwohl viele andere Geschäfte in Cochrane, wie häufig in Chile und Argentinien, am Sonntag geöffnet waren, standen wir bei der Ferretería vor geschlossenen Türen.

Dagmar bestellte sich daraufhin per SMS das 7 Tage gültige Auslandspaket von ALDITALK, um sich endlich mal wieder zuhause melden zu können und um Fine, die zu der Zeit in Ghana an einer Schule als Volunteer tätig war, zum 19. Geburtstag zu gratulieren – frei nach dem Motto „besser einen Tag zu früh als gar nicht“.

Dann ging es weiter auf der Carretera Austral Richtung Norden.

Hinter Puerto Bertrand bogen wir auf die X 265 in Richtung Chile Chico ab, denn von dieser Straße aus soll man einen besonders schönen Ausblick auf den Lago General Carrera und die dahinterliegende Bergkette haben. Aber schon nach 9 km in Puerto Guadal brachen wir das Unternehmen ab und kehrten um, denn die Straße war in so einem schlechten Zustand, dass wir keinen Spaß mehr an der Fahrt hatten, sondern nur noch Angst um unser Fahrzeug.

Auf der Carretera Austral machte das Fahren wieder etwas mehr Spaß. Auch dort hatten wir einen sehr schönen Ausblick auf den See. Wir genossen das schöne Wetter und legten immer mal wieder Fotostopps ein.

Irgendwann suchten wir uns  einen Stellplatz für die Nacht. Der im iOverlander beschriebene Platz in Puerto Marmoles kam für uns nicht in Frage. Die Straße dorthin soll sehr steil, eng und in einem schlechten Zustand sein. In Puerto Tranquilo tankten wir nochmal, aber in dem Ort schien gerade Karneval zu sein, daher schieden die möglichen Stellplätze am Strand auch aus. Wir blieben letztendlich auf dem Campingplatz „La Brisa“ etwas nördlich von El Cóndor. Dort war es o.k., Windschutz durch Bäume, Trinkwasser, warme Duschen und das alles für 5.000 Pesos pro Person.

Wir hatten auf Hinweisschildern am Straßenrand gelesen, dass die Carretera Austral weiter nördlich wegen Bauarbeiten täglich in der Zeit von 13 und 17 Uhr gesperrt sein sollte. Wir wussten aber nicht, wo genau und wie weit dieser Bereich von uns entfernt war. Um auf jeden Fall vorher noch durchzukommen, stellten wir uns auf ein frühes Frühstück und eine frühe Abreise ein.

Am nächsten Morgen war das Wetter wieder recht schön. Die Fahrt durch den Kaltregenwald gefiel uns. Besonders die großen Fuchsienbüsche und Nalca-Pflanzen, auch Mammutblatt genannt (Gunnera manicata), die hier überall am Wegesrand standen, beeindruckten uns.  

Die Carretera war bis zur Baustelle brauchbar, allerdings war Fahrbahn relativ schmal und fiel an der rechten Seite ziemlich steil ab. Ein mit einem Sprinter beladener Autotransporter, der bei einem Ausweichmanöver von der Fahrbahn abgekommen war, schaffte es nicht, aus eigenem Antrieb dorthin zurückzukommen. Wir beobachteten wie er von einem mit einem Betonmischer beladenen LKW an einer Stange aus der misslichen Lage befreit wurde.

Hinter Villa Cerro Castillo nahmen wir den Abzweig (X 65) nach Puerto Ibañez und fuhren dann auf der X 723 zum Wasserfall des Río Ibañez. Die letzten Kilometerwaren auch wieder Piste, aber wir waren uns einig, es hatte sich gelohnt.

Dann fuhren wir zurück zur Carretera Austral und weiter nach Coyhaique, wo wir abends im dichten Berufsverkehr ankamen. Wir fuhren zunächst zum Hiper Patagonico, einem Supermarkt, bei dem es wirklich fast alles gab, sogar zu Ziegeln gepresste Kokosfasern für die Pflanzenaufzucht, die wir in unserer Trenntoilette als Trägermaterial verwenden.

Die Nacht wollten wir auf dem Parkplatz des Flughafens verbringen, gaben die entsprechenden Koordinaten in 2 Navigationssysteme ein und tappten damit in eine Falle: Nach kurzer Fahrzeit standen in einer schmalen, aber stark befahrenen Straße vor einer Brücke, deren Durchfahrtshöhe auf 2,30 m beschränkt war. Das war am Beginn der Straße nicht angekündigt und wohl auch den Navis nicht bekannt, also hieß es, Verkehr anhalten, wenden und einen besseren Weg suchen. Den fanden wir auch und richteten uns dann am Flugplatz von Coyhaique auf ebenem Asphalt für die Nacht ein. Es waren einige Einheimische da, aber die waren ruhig und haben nicht gestört. Ganz anders die Ibisse, die sich auf Flugfeld aufhielten. Die machten bis spät in die Nacht und am frühen Morgen einen gehörigen Lärm.

Nach dem Frühstück führten wir noch einige Reinigungsarbeiten im MEXI durch und machten uns dann auf den Weg nach Coyhaique. Um 10:00 Uhr öffnete dort der Entel Shop, wir wollten nun endlich unsere Handys wieder in Gang setzen. Im Stadtzentrum von Coyhaique ist es nicht einfach, einen geeigneten Parkplatz zu finden. Nach einigen Ehrenrunden ergatterten wir einen Platz direkt am Zentralplatz und meldeten uns bei der Parkwächterin an. Dann liefen wir durch die Fußgängerzone zum Entel Shop. Wir waren entsetzt, dass auch hier viele Geschäfte und Banken als Folge der Ausschreitungen ihre Scheiben mit Holz- oder Metallplatten verbarrikadiert hatten.

Beim Entel Shop hatten wir leider keinen Erfolg, Karten mit neuen Telefonnummern erhielt man woanders. Diesen Laden fanden wir auch und kauften dort zwei SIM-Karten. Die hilfsbereite Mitarbeiterin konnte die Karten in ihrem Handy aktivieren, in unseren Handys funktionierten sie jedoch nicht. Sie konnte sich das auch nicht erklären. Nach einigen Telefongesprächen teilte sie uns mit, dass unsere Handys gesperrt wären. Das konnten wir uns gar nicht vorstellen und beschlossen zu Movistar zu gehen, und herauszufinden was mit unseren SIM-Karten von Movistar los war. Dort half man uns nach längerer Wartezeit insofern, dass wir erfuhren, dass im Ausland erworbene Mobiltelefone über www.multibanda.cl registriert werden müssen, wenn man sie mit lokalen SIM-Karten betreiben will, anderenfalls werden diese Telefone nach 30 Tagen für Chile gesperrt. Nur mit WiFi und Datenroaming von ausländischen Anbietern können sie dann noch betrieben werden. Das muss man erstmal wissen.

Dann hieß es für uns, freies WiFi finden. Wir kehrten im Café Holzer ein, doch so gut wie im iOverlander beschrieben, war die Verbindung dort nicht.

Auch an der Touristeninformation auf dem Zentralplatz kamen wir nicht viel weiter, dort nutzten Dutzende von Touristen das freie Netz, entsprechend langsam war es. Wolfgang erfuhr in der Touristeninformation, an welcher Stelle auf dem Zentralplatz der Empfang am besten ist und auch, dass es in der nahegelegenen Bücherei guten Empfang gibt.

Mit Hilfe eines Büchereimitarbeiters fanden wir dort heraus, wie man die Registrierung auf oben genannter Webseite durchführen kann. Verrichten konnten wir jedoch nichts, da wir die notwendigen Dokumente nicht dabeihatten, die fotografiert und angehängt werden mussten. Wir hatten die Nase voll, denn seit 5 Stunden hatten wir uns nur um die Telefonkarten gekümmert. Die Parkgebühr für die Zeit war mit 4560 Pesos überraschend günstig, da sind wir von Düsseldorf andere Tarife gewohnt.

Wir fuhren zurück zum Flughafen. Wie am Vortag waren einige Einheimische dort, die ihre Hunde ausführten oder mit ihren Kindern spielten. Dann wurde es ruhig. In der Nacht kamen allerdings einige Halbstarke, die mit ihren Autos direkt neben unsere MEXI parkten, sich lautstark unterhielten oder die Motoren aufheulen ließen – keine angenehme Situation.

Am nächsten Morgen wollten wir vor 9 Uhr am Zentralplatz sein, um dort einen Parkplatz zu bekommen, wo der WiFi-Empfang am besten ist. Nach einer Katzenwäsche brachen wir auf und hatten dann Glück bei der Parkplatzsuche. Die Internetverbindung war gut. Wir schauten uns die Seiten von Huawei auf multibanda.cl an, und dann ging es los: Fotos der Einreisestempel und Papiere anfertigen, allerdings nur im PDF-Format und nicht größer als jeweils 1MB. Das ging in unserem provisorischen Büro natürlich mal wieder nicht so schnell, wie wir uns das vorgestellt hatten. Es wurde Nachmittag bis die Anträge zur Registrierung abgeschickt waren.

Zum Flughafen wollten wir wollten nicht mehr zurück. Wir fuhren deshalb zunächst weiter auf der Carretera Austral und dann auf der CH 245, einer befestigten Straße, in Richtung Puerto Aysén. Wir übernachteten auf dem Campingplatz Las Torres del Simpson in der Nähe von Villa Los Torreones. Hier sollte es freies WiFi geben. Gab es auch, aber nur kurzzeitig, solange der Vermieter sein Handy als Hotspot an eine bestimmte Stelle vor sein Wohnhaus legte.

Am nächsten Morgen füllten wir unseren Wassertank auf und fuhren dann weiter nach Puerto Aysén. Der Ort gefiel uns gut. Eine so lange Einkaufsstraße hatten wir hier im Süden von Chile noch nicht gesehen, lauter kleine Geschäfte mit unterschiedlichstem Angebot. Es waren auch viele Werkzeuggeschäfte dabei, das kam besonders bei Wolfgang gut an.

Die Fahrt über die Hängebrücke nach Chacabuco, dem neuen Hafen von Puerto Aysén, hätten wir uns sparen können. Hier gab es nichts Interessantes zu sehen.

Auf dem Rückweg tankten wir nochmal in Puerto Aysén und setzten unsere Fahrt fort in Richtung Chaitén. Auf den Wiesen und Weiden rechts und links der Straße lagen viele verwitterte Baumstämme, die uns an die versteinerten Bäume in Sarmiento erinnerten. Bei dem Abzweig nach Puerto Cisne hörte die befestigte Straße auf. Wir fuhren noch ein Stück weiter, drehten dann aber um, da es schon 17 Uhr war und uns die im iOverlander genannten Stellplätze dort nicht zugesagten. In Puerto Cisne an der Strandpromenade fanden wir einen Platz für die Nacht, der durch kräftige Bäume ziemlich windgeschützt war.

Am nächsten Morgen fuhren wir zurück über die CH 245 zur Carretera Austral und dort 30 km auf unbefestigter Straße durch den Nationalpark Queulat. Die gesamte Strecke führte durch Kaltregenwald mit riesigen Nalca-Pflanzen, Farn und Fuchsienbüschen. In der Nacht hatte es geregnet, dadurch waren die Pflanzen sauber gewaschen – ein schöner Anblick, leider bei bedecktem Himmel und auch weiteren Regenschauern.

Die Piste durch den Nationalpark war grottenschlecht und steil mit vielen Haarnadelkurven. Hinter dem Nationalpark ging es mal auf befestigter, mal auf unbefestigter Straße weiter, aber dort war Carretera niemals so schlecht wie im Nationalpark.

Am Nachmittag wurde das Wetter besser, ab und zu kam die Sonne durch. In Puyahuapi, einem netten Ort mit gepflegten Vorgärten, tankten wir nochmal und fuhren weiter bis kurz hinter Villa Santa Lucía. Dieser Ort wurde bei einem Erdrutsch 2014 total zerstört. Wir konnten noch sehen, wo die Gerölllawine sich ihren Weg gesucht hatte und den Ort vom Erdboden verschwinden ließ. 

Wir verbrachten den Tag am Río Yelcho Chico neben der Puente Ventisquero. Der Untergrund war zwar nicht gut – Matsch und Geröll – und die Abfahrt von der Straße recht steil, aber mit der Allradunterstützung hatten wir kein Problem. Am Abend frischte der Wind auf, dann regnete es die ganze Nacht.

Zurück auf der Carretera Austral ging es weiter nach Chaitén. Wir kamen mittags dort an und suchten zunächst das Fährbüro auf, um eine Passage nach Chiloé zu buchen. Nach Quellón im Süden der Insel, wo wir ursprünglich hinwollten, ging die Fähre erst in 4 Tagen, aber nach Castro schon am nächsten Tag. Das war uns auch recht. Wir buchten die Tickets und fuhren weiter zum Strand, der hier an einigen Stellen aus ziemlich grobem Kies bestand. Blöderweise gelangte dabei ein dicker Stein zwischen die beiden linken Hinterreifen. Durch Luftablassen war er nicht zu entfernen. Wir fuhren zurück auf befestigten Grund, wo Wolfgang das Fahrzeug anheben und das äußere Rad lösen konnte. So bekam er den Stein heraus, ein Riesenbrocken. Vor lauter Freude über den Erfolg, vergaßen wir leider ein Foto davon zu machen.

Den Abend und die Nacht verbrachten wir auf einem Stellplatz am Strand in Santa Barbara, der im iOverlander als schön und sicher beschrieben war. Bei schönem Wetter spazierten wir am Strand spazieren entlang. Die Bucht hatte für uns etwas von Südsee.

Alle, die im iOverlander etwas zu diesem Stellplatz geschrieben hatten, berichteten, dass sie dort Delfine gesehen hätten. Wir sahen auch einen, allerdings nur einen gemalten an einer Hütte am Strand.

Am nächsten Morgen standen wir früh auf, frühstückten aber erst am Fährterminal, da wir vermeiden wollten, in einer Baustelle mit einspuriger Verkehrsführung, die wir am Vorabend kennen gelernt hatten, im Stau stecken zu bleiben. Wir waren um 7 Uhr die Ersten dort, doch schnell füllte sich der Parkplatz. Wir fuhren um 9:30 Uhr auf die Fähre, nicht als Erste, sondern irgendwie zwischendurch, wahrscheinlich wegen des Trimms.

Um 10:15 Uhr ging es dann los in Richtung Chiloé. Die Carretera Austral lag hinter uns. Die Fahrt darauf war nicht immer einfach und bestimmt nicht materialschonend für unser Wohnmobil, aber wir sind uns einig, dass wir diese Etappe unser Langzeitreise auf keinen Fall missen möchten.