VON USHUAIA GEN NORDEN

5. Etappe: Von Panguipulli bis Las Balsas

08.03. bis 05.04.2020

Unser nächstes Ziel war der Vulkan Villarica. Von Panguipulli aus fuhren wir bei bestem Wetter auf der CH 201 nach Coñaripe am Lago Calafquén. Die Fahrt führte zunächst durch Weide- und Ackerbaulandschaft, später am See vorbei mit einem herrlichen Ausblick auf den rauchenden Vulkan Villarrica. Von Coñaripe ging es weiter auf der T96 S und der S94 T bis Villarrica, von dort aus auf der CH 199 am Lago Villarrica entlang bis Pucón und dann auf der T 887 in den Parque Nacional Villarrica. Zelten im Park ist nur nach Voranmeldung auf ausgewiesenen Plätzen erlaubt, aber mit dem Wohnmobil war es kein Problem auf dem Parkplatz des Skizentrums ohne Anmeldung zu nächtigen. Der Ranger empfahl uns, nicht bis zum obersten Parkplatz zu fahren, sondern eine Kurve vorher stehenzubleiben, denn die Piste wäre dahinter sehr schlecht und auch schon der erste Parkplatz wäre nur etwas für Allradfahrzeuge. Wir fuhren über eine schlechte Piste bis zum ersten Parkplatz und zogen es vor dort zu bleiben und nicht die 5 km bis zum nächsten Parkplatz weiterzufahren. Wir suchten uns einen halbwegs ebenen Standplatz und konnten von dort einen schönen Sonnenuntergang beobachten und bei klarer Nacht einen herrlichen Sternenhimmel. Da gerade Vollmond war, konnten wir nicht erkennen, ob der Himmel über dem Vulkan, wie bei totaler Dunkelheit wohl möglich, rot leuchtete.

Nach dem Aufstehen war der Himmel klar, und wir hatten wieder einen tollen Blick auf den Vulkan. Wir beschlossen, noch einen weiteren Tag dort oben zu bleiben und nutzten die Zeit, um weiter an unserem Reisebericht zu arbeiten und unsere Fotos zu sichten.

Auf dem Parkplatz herrschte ein ständiges kommen und gehen. Dabei konnten wir beobachten, wie richtig schlechte Pisten entstehen. Viele Fahrer versuchten, ohne 4×4 direkt an unserem Standplatz vorbei hinauf zum nächsten zukommen, was in den meisten Fällen dann auch irgendwann mit Schwung und ohne Rücksicht auf Verluste gelang. Vorher waren allerdings durch durchdrehende Räder die Vertiefungen in der Piste jedes Mal etwas tiefer geworden.

Als es gegen Abend ruhiger wurde, liefen wir die Piste bis zu dem Stück hoch, das uns der Ranger als sehr schlecht beschrieben hatte. Auch hier fuhren noch einige Autos weiter, egal wie oft die Räder durchdrehten oder sie mit dem Fahrzeug aufsetzten. Aus unserer Sicht war die Entscheidung, dort nicht weiterzufahren, die richtige, denn wir haben mit unserem Wohnmobil noch viel vor.

Der Sonnenuntergang war an diesem Abend leider nicht so schön wie tags zuvor.

Am nächsten Morgen wollten wir uns noch einen anderen Stellplatz am Vulkan ansehen und dort auch eventuell einen weiteren Tag bleiben. Der Weg dorthin war allerding so schlecht, dass wir es nach einigen Kilometern vorzogen, umzudrehen und den Nationalpark zu verlassen.  

Wolfgang hatte gelesen, dass man vom Flughafen Pucón Rundflüge zum Vulkan machen kann. Das reizte uns bei dem schönen Wetter, dashalb fuhren wir nach Pucón.

Am Flughafen fanden wir ein offenes Tor bei den Fallschirmspringern. Wolfgang fragte nach, ob Rundflüge dort möglich seien. Die Antwort in gutem Englisch war: Ja, kein Problem, aber (da sie Springer absetzten) nur in einer Maschine ohne Sitze und Tür für 50 € pro Person. Dafür konnte sich Dagmar nicht erwärmen.  Als Wolfgang absagte, wurde ihm angeboten, Tür und Sitze in eine Maschine einzubauen und dann könne der Flug losgehen, allerdings für 160 € pro Person. Darauf ließen wir uns beide gern ein.

Nach einiger Zeit kann der Pilot machte die Maschine fertig. Dann ging es los. Das Flugzeug war eine Cessna 182, zu Dagmars Entsetzen mit grün getönten, stark zerkratzten Kunststofffenstern. Die Instrumentierung war noch dem Baujahr entsprechend, die Motorüberwachung allerdings auf neuestem Stand, alles digital mit EGT und Durchflussmessern usw.

Auch der Pilot sprach gutes Englisch, so war die Verständigung sehr gut. Im Flieger bekamen wir Headsets. Der Pilot hatte sichtlich Freude daran, uns etwas über die Gegend und das Land zu erzählen. Der Vulkan Villarrica ist 2840 m hoch und dementsprechend lange dauerte der Steigflug. Wir konnten die extreme Bebauung von Pucón sehen und hatten wir eine tolle Fernsicht. Durch die Andenkette, die die Grenze zu Argentinien bildet, war der Verlauf der Grenze recht einfach zu erkennen. Vor den Bergen war die Landschaft grün, dahinter grau durch die argentinische Pampa.  

Nachdem wir 3000 m erreicht hatten, flog der Pilot mit 60° Querneigung über den Vulkanschlund, so dass wir hineinschauen konnten. Wir hatten Glück, dass es recht trocken war und uns der Blick in den Krater auf die glühende Lava nicht durch aufsteigenden Wasserdampf verwehrt wurde. Wir flogen sechs Mal um den Krater herum und waren begeistert. Der Rückflug ging durch das Tal des Río Turbio und über die Anwesen einiger reicher Chilenen mit eigenem Golfplatz und Heliport.

Wir hatten wirklich Glück mit diesem Piloten und freuten uns, dass wir uns zu diesem Flug entschlossen hatten.

Am Flughafen konnten wir noch unseren Wassertank auffüllen, dann fuhren wir nach Pucón rein, um uns in der Stadt etwas umzusehen. Pucón ist eines der internationalen Touristenzentren Chiles, entsprechend voll war es hier. Das Stadtzentrum ist allerdings mit seinen vielen Holzhäusern sehr schön. Es gibt viele Kaufhäuser, Boutiquen und Reiseagenturen. Man achtet hier auf ein einheitliches Stadtbild, so dürfen die Geschäfte hier zum Beispiel nur mit Holzschildern werben. Jedoch auch in Pucón waren leider viele Geschäfte mit Brettern zugenagelt oder mit Metallplatten vor Demonstranten gesichert.

Ursprünglich wollten in Pucón übernachten, aber wir fanden keinen passenden Stellplatz. Überall dort, wo es möglich gewesen wäre, war auf Hinweisschildern zu lesen: No Casa Rodante.

So fuhren wir zurück nach Villarrica, immer am See entlang, aber sehen konnten wir ihn fast nie. Alles ist eingezäunt, durch hohe Bepflanzung abgeschirmt oder durch riesige Wohnanlagen von der Straße getrennt, obwohl es heißt, dass in Chile die Strände alle öffentlich sind.

Wir blieben neben einem Skaterpark am See stehen, ein Platz, der im iOverlander beschrieben war. Ein chilenisches Wohnmobil stand auch schon dort. Der Vulkan bekam einen Kragen aus Wolken und spät am Abend zog es ganz zu. Wir hatten mit dem Rundflug alles richtig gemacht.

Wir wachten bei Regen auf, dementsprechend war der Vulkan,das erste Mal seit ca. einer Woche nicht zu sehen. Nach dem Frühstück fuhren wir zum Einkaufen und Aufladen unserer SIM-Karten nach Villarica rein. Auch hier waren viele Geschäfte und insbesondere die Banken vernagelt, vergittert und oder mit Metallplatten vor Demonstranten gesichert und vieles war mit politischen Parolen beschmiert.

Von Villarica fuhren wir weiter auf der CH 199 Richtung Temuco. Die Strecke führte durch Weideland für Rinder, abgeerntete Ackerbauflächen und riesige Obstplantagen. Dort konnten wir erstmals erkennen, dass es langsam Herbst wurde. Viele Weideflächen waren schon gelb und vertrocknet, und die abgeernteten Felder wurden teilweise schon umgepflügt. Als nächstes wollten wir eine Rundtour durch Chiles kleinen Süden machen, die Mirko uns beim Abschied empfohlen hatte. Da wir den Abzweig der S 61 nach Santa Sofia nicht fanden, fuhren wir weiter bis Freire und dann auf der RN 5 Richtung Norden bis Quepe. Von dort ging es weiter auf der S 433, S 51 und S 61 über Huichahue, Rada Prado Huichahue und Cunco bis zum Abzweig der S 335, um in das Skigebiet im Parque Nacional Conguillio am Vulkan Llaima (3125 m), einem der aktivsten Vulkane Chiles, zu kommen. Bis zum Abzweig war die gesamte Strecke asphaltiert und führte durch eine sehr schöne Landschaft. Dann folgten wieder 55 km Piste. Die Strecke war relativ anspruchsvoll, ziemlich kurvig, staubig und stellenweise so eng, dass Dagmar schon mal aussteigen musste, um zu sehen, ob es passte. Wenn uns Holztransporter entgegenkamen, wurde so viel Staub aufgewirbelt, dass die Sicht gleich null war.

Am Parkeingang war niemand, und die Schranke stand auf. Wir folgten dem „Straßenverlauf“ Es war steil, mit tiefen Löchern und manchmal auch Schräglage, aber die Araukarien am Wegesrand (Araucaria araucana), auch Andentanne, Chiletanne, Schlangenbaum, Schuppentanne, Affenschwanzbaum, Chilenische Schmucktanne und Monkey Puzzle Tree genannt, faszinierten uns. Es gibt männliche und weibliche Bäume. Die männlichen tragen längliche Früchte, die weiblichen runde.

Um 17:45 Uhr kamen wir auf dem Schotterparkplatz in 1470 m Höhe vor dem Skigebiet La Araukanías an. Leider konnten wir von dort den Vulkan nicht sehen, und durch die riesigen Araukarien war auch der Blick ins Tal versperrt, aber für eine Nacht war es in Ordnung. Wir waren die einzigen auf dem Parkplatz. Als es langsam dunkel wurde, kam ein junger Chilene und fragte uns, wie lange wir bleiben wollen. Aber das war nicht eigentliche Grund seines Besuches. Seine Freundin brauchte Papier für Zigaretten, und er hoffte es von uns zu erhalten. Damit konnten wir ihm leider nicht helfen. Trotzdem erzählte er uns noch, dass er gerade Brote backte und fragte, ob wir eins haben wollten. Wir sagten ja, und er wollte es uns eine halbe Stunde später vorbeibringen. Daraus wurde mal wieder eine chilenische halbe Stunde. Es war schon stockdunkel und wir hatten nicht mehr mit seinem Besuch gerechnet, da sahen wir eine Taschenlampe auf uns zukommen.  Es war der junge Mann mit seiner Freundin und einer Tüte mit drei frisch gebackenen Broten. Die Freundin sprach gut Englisch, und wir unterhielten uns noch einige Zeit. Dann wollte Dagmar ihnen 1000 CLP für das Brot geben, aber das lehnte besonders die Frau zunächst energisch ab. Dagmar hatte in weiser Voraussicht noch eine 1 € Münze bereitgelegt und ihnen diese dann als Erinnerung an uns angeboten. Das fanden sie toll. Später beim Abschied steckte der junge Mann dann doch noch die 1000 Pesos ein. Wir probierten noch eines der drei Backwerke, so frisch war es richtig lecker.

Am nächsten Morgen war der Himmel klar und die Sonne schien. Am Vormittag kamen zwei Männer auf den Parkplatz und sammelten die heruntergefallenen Samen der Araukarien, die hier Piñones heißen. Am Vorabend hatten uns die jungen Leute gesagt, dass die Piñones sehr lecker wären und dass man sie 90 bis 120 Minuten kochen müsse, um dann die Schale wie bei Mandeln abziehen zu können. Das wollten wir ausprobieren und sammelten auch eine Tüte voll bevor wir uns wieder auf den Weg machten. Wir kamen an der Skihütte der deutschen Schule von Temuco vorbei, fuhren wieder durch den Araukarienwald und sahen am Wegesrand immer wieder die orangen Blüten der chilenischen Kletterpflanze Reina (Mutisia decurrens, einen deutschen Namen scheint es nicht zu geben) in der Sonne leuchten.

Es ging weiter auf der R 335. Die Piste war eng, kurvig und steil. Dann kam eine Brücke „nur für leichte Fahrzeuge, max. 2 t“. Was tun? Wolfgang stieg aus und sah sich die Brücke an: Eine Stahlkonstruktion mit Querhölzern wie bisher gehabt und obendrauf die beiden Fahrstreifen aus Längshölzern. Wolfgang konnte darauf Spuren von Zwillingsbereifung erkennen, die von der Brücke kamen – also Augen zu und durch, zumal die Brücke nur ca. 8 m lang war. Es ist gut gegangen.

Dahinter folgten einige Abschnitte, durch die wir ohne Allrad und Getriebeuntersetzung nicht durchgekommen wären. Wir kamen an einer Brücke vorbei, die neu gebaut wurde und fragten uns, wie die schweren Baufahrzeuge dort wohl hingekommen waren.

Auf der S 339 konnten wir zunächst erstmal aufatmen, Asphalt, aber leider nur für 300 m, danach wieder Piste. Gegen 15 Uhr erreichten wir den Eingang zum Parque National Conguillio. Wir zahlten 18.000 CLP Eintritt und fuhren weiter in den Park bis zur Laguna Captrén. Hier wollten wir einen Spaziergang um die Lagune machen, aber der Weg wurde nach 1,5 km immer matschiger, so dass wir umkehren mussten. Das war schade, denn es war sehr schön an dem Gewässer mit dem Vulkan Llaima im Hintergrund. Hier leuchteten die gelben Blüten der Goldenen Inkalilien (Alstroemeria aurantiaca) in der Sonne.

Wir fuhren dann weiter auf der S 339, die in Richtung Lago Conguillio, der laut Reiseführer sehr ausgelassen sein sollte. Wir konnten uns unter diesem Begriff nichts vorstellen, haben aber dazugelernt. Ohne Allrad und Getriebeuntersetzung wäre es nicht gegangen. Häufig war es sehr steil mit vielen tiefen Furchen. Aber wir kamen durch, allerdings nicht ohne dass gelegentlich ein Rad in der Luft hing.

Um 17:30 Uhr erreichten den Parkplatz am Lago Conguillio. Es waren nur wenige Autos dort, und wir konnten uns quer hinstellen, um eine einigermaßen vernünftige Sicht auf den See zu haben und durch den Wind nicht so durchgeschüttelt zu werden – der patagonische Wind hatte uns eingeholt. Wir machten noch einen Spaziergang zum Wasser, das wegen der Trockenheit im Sommer weit zurückgegangen war.

Aus dem erhofften Sonnenuntergang wurde nichts, der Himmel war inzwischen total zugezogen, und nachts fing es dann auch an zu regnen.

Vom Lago Conguillio fuhren wir weiter auf der S 365 in Richtung Melipeuco. Laut Reiseführer sollte es eine gute Erdpiste sein, die auch von Stadtfahrzeugen befahren werden kann. Obwohl hier viele normale PKWs unterwegs waren, waren wir froh, 4X4 und die Getriebeuntersetzung zu haben.

Die Piste durch den Araukarienwald lud immer wieder zum Anhalten und Fotografieren ein. Dann sah Dagmar ein Stück vor uns einen schwarzen Vogel an einen Baumstamm fliegen. Es war ein weiblicher Magellanspecht (Campephilus magellanicus, Carpintero Gigante). Es kamen noch zwei männliche Tiere hinzu. Durch die Beleuchtung der Sonne leuchteten ihre roten Köpfe herrlich rot. Wir hielten an und konnten einige sehr schöne Fotos machen, mussten dann aber abbrechen, weil andere Autos an uns vorbeifahren wollten.

Wir hatten uns lange gewünscht, diese schönen Vögel noch einmal zu sehen. Im Parque Nacional Terra del Fuego bei Ushuaia hatten wir bereits einige Exemplare von ihnen gesehen, aber bei ungünstiger Beleuchtung leider damals nicht vernünftig fotografieren können.

Auf der weiteren Fahrt durch den Araukarienwald fanden wir noch einige weitere schöne Fotomotive.

Irgendwann hörte der Wald auf, und wir befanden uns in einem riesigen Lavafeld von einer der letzten Eruptionen. Dort gab es einen Abzweig zur Laguna Verde. Wir sahen uns die Piste dorthin an und beschlossen hinzufahren. Das ging auch sehr gut. Wir hatten von dort einen schönen Blick auf den vergletscherten Llaima, dessen Spitze im Gegensatz zum Vortag immer von Wolken bedeckt war. Die Lagune Verde war ziemlich ausgetrocknet. Wir folgten der Piste zum Wasser, auf dem Navi fuhren wir dabei die ganze Zeit durch das Wasser. Leider nieselte es immer wieder, manchmal waren auch Regenschauer dabei, die das Fotografieren etwas vermiesten.

Hinter dem Lavafeld ging der Wald weiter. Man sah auch hier deutlich, dass es Herbst wurde. Am Parkausgang hatte eine Frau einen Verkaufsstand aufgebaut. Wir hielten an und kauften ihr eine Schale Erdbeeren und etwas in Fett Gebackenes ab.

Hinter dem Park war die Straße wieder asphaltiert. Wir fuhren noch kurz zum Einkaufen nach Melipeuco und setzten dann unsere Rundfahrt auf der S 61 fort. Leider hörte die Asphaltierung nach wenigen Kilometern auf. In dieser Gegend waren nur wenige freie Stellplätze beschrieben. Daher fuhren wir bis zum Lago Icalma, wo etwas abseits der staubigen Piste der Campingplatz Icalma Lodge direkt am See liegt. Der kostete zwar 10.000 Pesos pro Person, dafür hatten wir eine riesige Parzelle mit Stromanschluss und einem überdachten Essplatz, der mit einem Tisch, zwei Bänken, einer kleinen Ablage und einer Spüle ausgestattet war. Zusätzlich bekamen wir den Schlüssel für ein eigenes Baño mit Toilette und Dusche. Das war zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber relativ sauber. Wir blieben 3 Nächte dort und nutzten die Zeit für kleinere Reparaturen, zum Wäschewaschen und zum Weiterarbeiten an unserem Reisebericht. Morgens war hier immer alles bereift, aber im Laufe des Vormittags wurde es dann wieder sommerlich warm.

Am 16. März ging die Reise weiter. Zunächst fuhren wir auf der staubigen Piste S 61 30 km weiter bis Licura und von dort auf der CH 181 bis Lonquimay. Die Landschaft bis Licura war wenig abwechslungsreich, immer relativ trocken und es gab keine Araukarien mehr. Ab Licura war die Straße asphaltiert. Die CH 181 ist eine der Hauptverbindungen für den Warenverkehr nach Argentinien. Dort war es wieder etwas grüner und ab und zu sah man rot blühende Parasitengewächse in den Büschen und an Bäumen.

In Lonquimay hielten wir noch einmal zum Einkaufen an. Der Telefonempfang war sehr gut. Wir hatten eine WhatsApp von Martina und Walter erhalten, die uns mitteilten, dass in Uruguay alle Touristen das Land bis zum folgenden Freitag verlassen mussten. Kurz danach sprach uns ein Mann an und sagte uns, dass es nicht mehr möglich war nach Argentinien einzureisen, da die Grenze geschlossen wurde. Wolfgang rief daraufhin die Deutsche Botschaft in Santiago an und erfuhr, dass die chilenische Grenze für die Einreise am 18. März geschlossen werden sollte und dass Peru und Bolivien auch schon dicht waren.

Wir saßen also in Chile fest. Wir hatten nur ein Touristenvisum für 90 Tage und auch das TIP war nur 90 Tage gültig, und zwar bis zum 08. Mai. Wir sollten uns an die lokale Ausländerbehörde wenden. Die gab es aber in Lonquimay nicht. Da wir sowieso in Richtung Küste wollten, beschlossen wir, es in Concepción zu versuchen, zumal es dort auch eine Honorarkonsulat gab.

Wir tankten noch einmal bei Copec und fuhren dann auf der R 89, einer Passstraße, in Richtung Reserva Nacional Malalcahuello am Vulkan Lonquimay.  Dort sollte man am Skilift mit Blick auf den Vulkan übernachten können. Die Straße war zunächst asphaltiert, ging dann allerdings in eine Erdstraße über. Da nicht viel Verkehr war, ging es ganz gut. Wir fuhren wieder durch einen Araukarienwald. Am Straßenrand wurden gekochte oder geröstete Piñiones angeboten.

Wir befanden uns in 1644 m Höhe, der Himmel war klar und wir hatten eine sehr gute Fernsicht. Einige Haarnadelkurven waren nichts für Begegnungen. Als wir die R 785, die direkte Verbindung von der CH 181 zum Parkeingang der Reserva Nacional Malalcahuello erreicht hatten, hatten wir wieder Asphalt unter den Rädern, ein herrliches Fahrgefühl. Die Straße zum Parkeingang war gesäumt von Cabañas, Verleihern von Ski-Ausrüstung und ähnlichem. Sie führte durch Mischwald, in dem auch wieder Araukarien standen. Am Parkeingang war die Schranke geöffnet. Das Wärterhäuschen schien schon seit längerer Zeit nicht mehr besetzt zu sein. Die Piste zum Skilift war mit einer Schranke verschlossen. Wir folgten der R 785 in Richtung Lolco. Diese Piste sollte laut Copec-Straßenkarte für Allradfahrzeuge geeignet sein.  Laut iOverlander sollte sie allerdings am Rand des Kraters Navidad in tiefen Sand übergehen. Wir hofften, irgendwo an dieser Straße stehenbleiben zu können, ohne dass wir von unten gesehen wurden, denn das Campieren im Park war nicht erlaubt. In einer Höhe von 1719 m wurde uns der Untergrund allerdings zu weich. Wir setzten zurück, um zu wenden. Der Ausblick von hier oben auf den Vulkan Lonquimay war sehr schön.

Der Handyempfang auf der Strecke war recht gut. Dagmar hatte per WhatsApp bei Regina und Rolf angefragt, wo sie sich gerade aufhielten. Wir vermuteten sie noch in Chile, erfuhren aber, dass sie 2 Tage zuvor über den Paso Agua Negra zurück nach Argentinien gefahren waren.

Wir wären gerne dort oben stehen geblieben, beschlossen dann jedoch, vorsichtshalber zum Schotterparkplatz am Parkeingang zurückzufahren und dort stehen zu bleiben.

Als wir am nächsten Morgen wach wurden, war es sternenklar und kalt. Das Dach des Parkeingangshäuschens war bereift. Unser Thermometer zeigte nur 3,5 °C.  Nach dem Frühstück machten wir noch bei wolkenlosem Himmel Fotos von unserem Stellplatz und dem Vulkan Lonquimay, dann fuhren wir auf der R 785 zurück bis zur CH 181 und folgten dieser bis zur RN 5. Auf den Besuch einer der an der Straße liegenden Thermen verzichteten wir wegen Covid 19 schweren Herzens.

Wir hielten am Wasserfall Salto de La Princessa, aber er begeisterte uns nicht. Zudem war der Aussichtspunkt zugewuchert. Ein Erinnerrungsfoto zu machen, lohnte sich hier wirklich nicht. Vielleicht hätte der Wasserfall mit mehr Wasser besser ausgesehen.

Bis Curacautin merkten wir deutlich, dass es sich hier um ein Feriengebiet handelte. Es gab hier sehr viele Cabañas und Ferienanlagen. Ab Curacautin war die Landschaft an der CH 81 wieder durch Ackerbau und Viehzucht geprägt. Die Häufigkeit der Fuchsien-Büsche und Nalca-Pflanzen neben der Straße nahm nun deutlich ab.

Bei Victoria erreichten wir die RN 5 und folgten dieser in Richtung Norden bis kurz vor Los Angeles. Wir schauten uns die im iOverlander beschriebenen Stellplätze bei Collipulli und Mulchén an. Sie sagten uns aber beide nicht zu. Wir beschlossen, stattdessen zum Campingplatz Puertas Blancas an der RN 5 zu fahren. Der lag allerdings ca. 10 km südlich von uns auf der anderen Seite der Autobahn. Wir nahmen die nächste Ausfahrt und fuhren zurück. Durch eine Unachtsamkeit fuhren wir dann jedoch am Platz vorbei, die Ansage vom Navi kam zu spät – also weiter bis zur nächsten Ausfahrt, wenden und das Ganze noch einmal versuchen. Als wir dann am Platz ankamen, mussten wir feststellen, dass das Tor verschlossen war. Das Eingangsschild lag am Boden und auch der Rest machte nicht den Eindruck eines in Betrieb befindlichen Campingplatzes.

Wir blieben mit unserem MEXI auf einem recht ebenen Stück auf dem Gelände vor dem Campingplatz stehen, weiterfahren wollten wir nicht mehr, denn es war schon wieder 19 Uhr. Als wir mitten in der Vorbereitung des Abendessens waren, hupte es. Ein Auto stand in der Zufahrt zum verschlossenen Tor. Wir reagierten zunächst nicht. Als jemand an unsere Tür klopfte, öffneten wir. Es war der Betreiber des Campingplatzes. Er empfahl uns, auf den Platz kommen, da es dort sicherer wäre. Das sahen wir ein und fuhren hinter ihm her. Toll war es auf dem Platz nicht, kein Strom, kein Wasser für uns, aber dafür 18.000 CLP für den Vermieter. Zumindest standen wir hinter einem verschlossenen Tor und etwas weiter weg von der Autobahn (ca. 100 m als vor dem Tor).

Am Morgen war es klar und mit 14 °C deutlich wärmer als am Lonquimay. Wir fuhren weiter auf der RN 5 bis Los Angeles. Dort bestand die Möglichkeit, bei Abastible Gas zu tanken, und das war mal wieder notwendig. In einer Ferreteria versuchten wir Schrauben und Winkel zur Befestigung des Kühlschranks zu bekommen, aber das war nicht von Erfolg gekrönt. Im Ort gab es einen großen, gut sortierten Jumbo-Markt. Dort kauften wir Lebensmittel ein und fuhren dann weiter in Richtung Concepción, zunächst auf der RN 180 bis Coihue und ab dort auf der RN 156. Unseren ursprünglichen Plan, den Parque Nacional Nahuelbuta zu besuchen, gaben wir auf, schließlich hatten wir schon reichlich Araukarien gesehen.

Die Straße verlief wieder durch ein Gebiet mit Ackerbau und Viehzucht, daneben gab es auch Bereiche mit Forstwirtschaft. Ab Santa Juana führte sie am Río BioBio entlang, der dort schon sehr breit war, aber wenig Wasser führte. Einige Kilometer hinter Colcura bogen wir auf die O 852 ab, an der der Campingplatz „Las Marvillas“ lag, auf dem es Trinkwasser und Stromanschlüsse geben sollte. Entlang der RN 156 hatten wir keinen geeigneten Platz für die Nacht gefunden, der uns zusagte. Zum Campingplatz ging es durch eine sehr enge Einfahrt. Auf der Terrasse am Eingang saß nur ein kleines Kind. Nach Rufen kam eine junge Frau, die dann die Campingplatzbesitzerin holte. Diese zeigt uns den Platz, auf dem wir stehen und auch die Dusch- und Waschgelegenheiten nutzen konnten. Wir waren froh, dass wir darauf nicht angewiesen waren, es sah alles nicht sehr einladend aus. Es war noch ein weiterer Gast auf dem Platz, ein deutscher Motorradtourist mit Zelt. Wir sahen ihn allerdings nicht.

Am nächsten Morgen fuhren wir nach Concepción. Concepcíon (230.000 Einwohner) an der Mündung des Flusses Río BioBio in den Pazifik bildet zusammen mit der Hafenstadt Talcahuano (180.000 Einwohner) nach Santiago das zweitgrößte industrielle Zentrum Chiles. Eigentlich wollten wir Großstädte meiden, aber dort gab es nun einmal ein deutsches Honorarkonsulat. Da auf der Webseite des Konsulats keine Öffnungszeiten angegeben waren und der Konsul auf die E-Mail, die Wolfgang ihm am Vortag gesendet hatte, noch nicht geantwortet hatte, fuhren wir auf gut Glück dorthin. Das Navi brachte uns in die Nähe des Konsulats, aber das Gebäude fanden wir zunächst nicht. Zwei Carabineros, die ein paar Straßen weiter vor einer Polizeistation standen, bestätigten uns, dass wir die richtige Adresse hatten und auch in der richtigen Straße gesucht hatten. Wir stellten den MEXI in der Nähe der Straße ab und machten uns zu Fuß auf die Suche. Nach nochmaliger Nachfrage bei einem Buchhändler fanden wir dann schließlich richtige Gebäude. Es war kein Bundesadler an der Fassade, sondern nur auf einem verblichenen, postkartengroßen Stück Papier unter der Klingel zusammen mit den Öffnungszeiten: dienstags, mittwochs und donnerstags von 15 – 17 Uhr. Es war 13 Uhr und Donnerstag, also warten.

Da ein Unimarc in der Nähe war, nutzten wir die Zeit, um noch einige Lebensmittel einzukaufen und warteten dann im Wohnmobil. Ganz wohl war uns in dieser Gegend nicht. Das Konsulat war in der Nähe der Universität. Auf den Straßen lagen Reste von Straßensperren, die gebrannt hatten. Überall fehlten Pflastersteine, Gehwegplatten und auch Kanalabdeckungen.

Um 15 Uhr gingen wir dann nochmal zum Konsulat. Dort stand nun auf einem DIN A 4-Zettel, dass das Konsulat die nächsten 14 Tage wegen Quarantäne geschlossen war. Es war auch eine Notfalltelefonnummer angegeben. Wolfgang rief dort an und trug unser Problem vor. Mit dem Konsul wurde er nicht verbunden. Er sollte eine halbe Stunde später noch einmal anrufen.

Von dem Telefonat mit der deutschen Botschaft in Santiago wussten wir, dass wir uns für die Verlängerung der Visa an die Ausländerbehörde zu wenden hatten. Wir hatten bereits die Adresse der zuständigen Stelle in Concepción herausgesucht und machten uns nun auf den Weg dorthin. Während wir noch einen Parkplatz suchten, klingelte Wolfgangs Handy.  Die Mitarbeiterin vom Konsul rief an und gab uns die Adresse der Ausländerbehörde durch, vor der wir uns bereits befanden. Sie nannte uns auch noch die Telefonnummer einer Dolmetscherin, die uns bei Verständigungsproblemen mit der Behörde telefonisch helfen würde.

Ein Parkwächter wies uns einen Parkplatz vor der Behörde zu, auf dem eigentlich nur Dienstfahrzeuge abgestellt werden durften. Er interessierte sich für unsere Reise und wir unterhielten uns noch eine Weile mit ihm, bevor wir uns auf die Suche nach dem Eingang der Behörde machten. Den fanden wir aber nicht. Wo wir ihn vermuteten, waren alle Flächen mit verschweißten Blechplatten verbarrikadiert und diese mit Parolen beschmiert. Dann kam der Parkwächter und fragte, ob er uns helfen könne. Er sagte uns, dass die Ausländerbehörden wegen Corona für Publikumsverkehr geschlossen wurden. Er hätte aber einen guten Freund bei dem Amt, den würde er anrufen und unsere Situation erklären. Wir sollten warten. Nach einiger Zeit wurden wir dann tatsächlich in das Gebäude hineingelassen und konnten mit einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde sprechen. Er sagte uns, dass alle Behörden bis zum 1. April geschlossen wären. Wir könnten danach wiederkommen, er werde versuchen, uns dann auch bei der Verlängerung des TIPs zu helfen. Er gab uns noch seine Handynummer, damit wir ggf. auch per WhatsApp mit ihm in Verbindung treten könnten. Das war ja schon einmal eine Aussage. Auf unsere Frage, ob wir uns in Chile weiterhin frei bewegen dürften, war seine Antwort: Ja.

Dann kam noch eine Frau dazu, vielleicht seine Chefin. Sie sprach etwas Englisch und fragte uns, warum dort waren. Wir sagten ihr, dass wir mit unserem Wohnmobil nach Chile eingereist waren und uns nun erkundigen wollten, ob und wie man die Aufenthaltsgenehmigungen verlängern kann, da wir befürchteten, wegen der geschlossenen Grenzen der Nachbarstaaten nicht rechtzeitig vor Ablauf ausreisen zu können. Sie entgegnete, dass es kein Problem wäre, aus Chile auszureisen. Die chilenischen Grenzen wären nur für die Einreise geschlossen. Das war auch eine Einstellung. Dagmar fühlte sich irgendwie an ihre Gespräche mit den griechischen Behördenmitarbeiterinnen zur Einstufung von Wasch- und Reinigungsmitteln erinnert – Aus wissenschaftlicher Sicht mag das vernünftig und richtig sein, aber in unserem Gesetz steht es anders, und so muss es umgesetzt werden.

Wir verabschiedeten uns, verließen das Gebäude und gaben dem Parkwächter noch ein Trinkgeld. Dann fuhren wir aus Concepción raus, denn in der Stadt wollten wir nicht übernachten. Laut iOverlander sollte es nördlich von Concepción einige freie Stellplätze geben. Der Platz am Mirador war zwar schön, uns aber noch zu nah an der Stadt und auch an der Straße.

Wir fuhren auf der RN 150 weiter nach Norden und fanden in Dichato an der Bahía Coliumo am Ende der Strandpromenade einen schönen Platz, an dem das Parken kostenlos war.

Am nächsten Tag blieben wir dort stehen, um an unserer Webseite weiterzuarbeiten. Die Internetverbindung war dort gut, und bei Sonnenschein hatten wir auch kein Problem mit dem Strom. Im Laufe des Nachmittags kamen zwei Männer vorbei und klopften an unsere Tür. Einer der Männer fragte, woher wir kämen und ob wir etwas benötigten. Er hätte selbst ein Wohnmobil. Sein Name sei Erick Wandersleben und man könne seine Reiseberichte auf Facebook unter VIDA ERRANTE finden. Jetzt wäre er bei dem anderen Mann zu Besuch, der in einem Haus auf der anderen Straßenseite wohne. Dort könnten wir bei Bedarf auch Wasser bekommen.

Am Abend machten wir noch einen Spaziergang an der Strandpromenade entlang und durch den Ort, aber es war alles nicht so recht einladend. Viele Geschäfte waren geschlossen, und es waren auch nur sehr wenige Leute zu sehen. Auf dem Weg zurück zum MEXI, kamen uns drei mit Maschinengewehren ausgerüstete Soldaten entgegen. Sie nickten freundlich, das war`s.

Am nächsten Morgen war es trübe, und die Batterie hatte nur noch einen Ladezustand von 56 %. Daher beschlossen wir weiterzufahren, immer an der Küste entlang. Wir verließen Dichato auf der N 14 O in Richtung Purema. Anders als auf der Landkarte angegeben war die Straße nicht asphaltiert. Die Piste führte durch einen Wald mit hohen Eukalyptusbäumen. Da es in den letzten Tagen nicht geregnet hatte, war es sehr staubig und die Pflanzen dementsprechend mit einer Staubschicht bedeckt. Das Meer konnte man durch die hohen Bäume nicht sehen. Deshalb beschlossen wir umzukehren und dann auf der O 250 in Richtung RN-126 zu fahren. Die Straße war allerdings nur bis Menque gut, dahinter folgte wieder Piste. Wir fuhren durch ein Gebiet mit intensiver Forstwirtschaft, kilometerweit abgeholzte Flächen. Zwischendrin waren auch einige Neuanpflanzungen zu sehen, aber irgendwie sah es hier schon etwas gespenstisch aus. Nach 23 km schlechter Piste erreichten wir dann die RN 126 und fuhren gen Norden, zunächst bis nach Colelemu, um bei Unimarc einzukaufen.

Von dort ging es weiter bis Quirihue. Dort bogen wir auf die N 50 ab, die später an der Küste entlangführte. Laut iOverlander sollte es dort einige schöne freie Stellplätze geben. Bis zur Küste bei Cobquecura waren es allerdings noch 32 km. Die Straße führte durch ein Gebiet, in dem der Holzabbau schon einige Jahre zurücklag. Die Baumstümpfe waren noch zu sehen, aber sonst handelte es sich überwiegend um Weideflächen und es wurde immer mehr Wein angebaut.

10 km vor Cobquecura befanden wir uns noch in einer Höhe von 560 m. Dann kam der Abstieg, und wir konnten den Pazifik in seiner vollen Pracht sehen. Hinter der Stadt verlief die Straße mehr oder weniger nah am Meer entlang. Wir sahen uns einige Stellplätze an. Ein Platz hinter Tregualemu gefiel uns gut, aber dort stand schon ein Camper. Wir wollten ihm nicht auf die Pelle rücken und fuhren deshalb zurück zur N 50. Weiter nördlich sollte es noch einen Stellplatz und einen Campingplatz geben. Nach einigen Kilometern lag ein Baum quer über die Straße. Wolfgang dachte, jetzt käme die Makita zum Einsatz, aber es war eine Straßensperre. Auf der anderen Seite der Brücke über den Río Chovellen lag auch ein Baum. Leute mit Mundschutz kamen uns entgegen und gaben uns zu verstehen, dass die Gemeinde Curanipe für Externe wegen Covid-19 gesperrt war. Es waren Mitarbeiter der örtlichen Gesundheitsbehörde. Unser Fahrzeugkennzeichen wurde notiert, Fotos vom Fahrzeug wurden gemacht und sie wollten wissen, wie lange wir schon in Chile waren. Dann mussten wir umkehren, aber wohin?

Beim genauen Blick auf die Landkarte erkannten wir, dass bei Curanipe die Grenze zwischen den Regionen Maule und O’Higgins verläuft. Manchen Gemeinden waren die Maßnahmen der Regierung nicht hart genug und sie ergriffen selbst die Initiative, ihre Gemeinde zu schützen. Wir entschieden uns, zurück zur RN 5, der Panamerikana, zu fahren in der Hoffnung, dass diese Hauptverkehrsader nicht gesperrt würde. Wir fuhren zunächst zurück bis Quirihue. Auf dem Weg dorthin gab es nun auch eine Straßensperre aus Bäumen. Man winkte uns freundlich durch, weil wir offensichtlich das zu schützende Gebiet verließen, auch die Carabineros winkten uns zu. Da es schon recht spät war, entschieden wir uns, an der Plaza des Armas in Quirihue die Nacht zu verbringen. Gegenüber der örtlichen Bücherei haben wir einen Platz gefunden. Die Polizei patrouillierte einige Male durch die Straßen, aber offenbar hatten sie nichts dagegen, dass wir dort nächtigen wollten.

In Quirihue kam es uns irgendwie merkwürdig vor. Bisher war an den Zentralplätzen der Orte immer etwas los gewesen, sowohl tagsüber als auch abends und nachts, besonders an den Wochenenden. Hier war am Samstagabend kein Mensch zu sehen. Hin und wieder fuhren junge Männer in ihren aufgemotzten Autos mit aufheulendem Motor und lauter Musik durch die Straßen, ansonsten war es totenstill. Im Nachhinein haben erfahren, dass an diesem Abend in Chile die allgemeine nächtliche Ausgangssperre begann.

Trotz der Ruhe schliefen wir in der Nacht sehr schlecht. Wir wussten einfach nicht, wie es weitergehen sollte.

Auch am nächsten Morgen war auf dem Platz kaum etwas los. Zwei ältere Männer sammelten von den Bäumen gefallene Früchte, sonst nichts. Während wir frühstückten, sahen wir immer wieder einzelne Personen zu einer Kirche auf der anderen Straßenseite gehen. Nach einem Gebet vor der verschlossenen Tür verschwanden sie dann wieder.

Wir fuhren dann weiter auf der N 50 zur RN 5. Die Fahrt ging durch eine weite, durch Weinanbau geprägte Landschaft. Gelegentlich standen auch Tiere auf den Weiden. An einem Obststand kauften wir noch ein paar Weintrauben. Die Verkäuferin wollte uns gleich eine ganze Kiste verkaufen. Wir nahmen nur 1 kg für 500 CLP. Beim Nachwiegen waren es 2 kg. Die Trauben waren wirklich gut.

Bei Nueva Esperanza fuhren wir auf die RN 5 in Richtung Santiago. Wir konnten problemlos durchfahren und tanken. Die Restaurants entlang der Straße waren alle geschlossen. Im Nachhinein haben wir erfahren, dass sie wie auch in Deutschland geschlossen sein mussten. Bei San Fernando verließen wir die RN 5 und fuhren zu dem im iOverlander beschriebenen Campingplatz Los Acaios.

Wir waren die einzigen Gäste, aber der Platz gefiel uns nicht so gut. Es war sehr staubig und rechts von unserem Standplatz waren zwei Hunde hinter einem Zaun eingesperrt. Sie wurden morgens und abends von einem Mann mit Futter versorgt und dann sich selbst überlassen. Immer wenn jemand vorbeiging oder Hunde vorbeiliefen, ging die Kläfferei los. Trotzdem blieben wir 2 Tage dort. Wir hatten Wasser, Strom und eine brauchbare Internetverbindung. Wir mussten waschen und wollten die Internetverbindung nutzen, um noch einige Dinge zu klären.

Marita hatte es mittlerweile geschafft, uns auf die Krisenvorsorgeliste elefand.diplo.de zu setzen. Mit Hilfe von Birgit, Gottfried und Felix fanden wir einen Englisch sprechenden Ansprechpartner bei Henkel in Chile, auf dessen Privatgrundstück wir unser Wohnmobil abstellen können, falls wir Chile verlassen und nach Hause fliegen müssen. Durch ihn fanden wir auch einen Englisch sprechenden Ansprechpartner beim Zoll. Das war schon eine große Erleichterung.

Am 25.03. fuhren wir nach dem Frühstück nach San Fernando, dem nächstliegenden Ort. Hier sollte es laut MAPS.ME neben einem Lider-Supermarkt auch eine Bank und eine Cruz Verde-Apotheke geben. Wir brauchten Bargeld, mussten unsere SIM-Karten aufladen und wollten einkaufen.

Am Eingang der Bank war zu lesen, dass diese Filiale wegen Covid-19 geschlossen war und nur die Hauptstelle in der Innenstadt noch geöffnet war. So konnten wir unsere SIM-Karten auch bei dieser Cruz Verde-Apotheke nicht aufladen, denn dafür brauchten wir Bargeld und das wurde langsam knapp. Also kauften wir bei Lider nur Lebensmittel ein, denn die konnten wir mit Kreditkarte bezahlen. Aber auch hier gab es an der Kasse eine Überraschung: Die Kassiererin riss die Folie unseres Six-Packs Mineralwasser auf und nahm eine Flasche heraus – man bekam dort wegen Covid-19 nur noch 5 Flaschen pro Einkauf. Im Zentrum von San Fernando konnten wir am Automat Geld ziehen, eine Möglichkeit, unsere entel-Karten aufzuladen, fand wir jedoch nicht.

Wir fuhren weiter über die RN 5 nach Rancagua, der Hauptstadt der Region Libertador General O’Higgins. Rancagua ist ein Industrie- und Landwirtschaftszentrum mit ca. 215.000 Einwohnern und hat für Reisende nicht viel zu bieten. In der ersten Cruz Verde-Apotheke gab es die Möglichkeit, SIM-Karten aufzuladen, nicht. Vor der zweiten hatte sich eine Schlange gebildet, denn es durfte immer nur eine Person in die Apotheke. Nach gefühlt einer Stunde Warten in der prallen Sonne, durfte Wolfgang dann rein und konnte beide Karten aufladen. Dagmar wartete derweil im Wohnmobil. Uns war es nicht geheuer, das Fahrzeug dort unbeaufsichtigt stehen zu lassen.

Für die Nacht hatten wir uns einen Campingplatz am Río Cachapoal an der H 30 ausgesucht ca. 18 km südöstlich von Rancagua. Der Weg dorthin führte zunächst durch ein wenig einladendes Gebiet mit Industrie, Vulkanisierbetrieben und Schrottplätzen, später am ausgetrockneten Río Cachapoal entlang. Den Platz fanden wir erst beim zweiten Versuch. Das Tor war geschlossen und mit einer dicken Eisenkette gesichert. Der Platz schien schon seit längerer Zeit außer Betrieb zu sein. 

Wir fuhren dann zu einem Park- und Übernachtungsplatz (Área Descanso Lucia) an der RN 5 ca. 20 km südlich von Rancagua. Zumindest sollte es dort Trinkwasser geben. Ein Teil des Platzes war für LKWs und der andere für PKWs, auch Behindertenparkplätze gab es. Der Platz für LKWs war schon recht voll, auf dem Platz für PKWs stand nur ein weißer Kastenwagen. Dort stellten wir uns mit etwas Abstand dazu. 

Als wir am Morgen aufwachten, waren wir von LKWs umgeben, die sich aber dann nach und nach wieder auf den Weg machten. Die Sonne schien, der Ausblick auf die schneebedeckten Berge der Anden war ganz nett, der Lärm von der Panamericana erträglich und die Internetverbindung  sehr gut, so beschlossen wir, 1 Tage hier stehen zu bleiben, um uns weiter über die Entwicklung der Lage in Chile und den angrenzenden Staaten zu informieren und an unserer Webseite weiterzuarbeiten. Durch Gespräche mit verschiedenen Leuten waren wir mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass wir unsere Reise trotz der weltweiten Reisewarnung und der dringenden Rückreiseempfehlung des deutschen Auswärtigen Amtes nicht überstürzt abbrechen und das Wohnmobil hier zurücklassen wollten. Erst musste geklärt werden, wie wir verhindern konnten, dass das Fahrzeug nach Ablauf des TIP vom Zoll konfisziert würde.

Wir hatten erfahren, dass die nächste Zollbehörde, die unser TIP verlängern könnte, in San Antonio am Pazifik war und hofften, dass sie Anfang April wieder für Publikumsverkehr geöffnet würde. Daher wollten wir uns langsam in diese Richtung begeben. Wir fuhren zunächst auf der Panamericana in südliche Richtung bis Rengo, dann weiter bis zur „Ruta de la Fruta“ (RN 66) und darauf in Richtung San Antonio. Rechts und links der Straße waren überall riesige Obst- und Weinplantagen, die in der Ferne bis in die Berge hinein reichten. Ab El Carmen folgten wir der H 790 bis las Balsas am Lago Rapel. Dort hatten wir einen Campingplatz ausgesucht, auf dem wir die Nacht verbringen wollten. Es war schon relativ spät als wir ankamen und das Tor war verschlossen, aber nach kurzer Wartezeit kam der Besitzer und ließ uns hinein. Auf dem Platz gab es nur sehr wenige ebene Stellplätze, aber wir waren die einzigen Gäste und konnten den MEXI auf einer schönen Fläche direkt oberhalb des Strandes abstellen.

Wir blieben über das Wochenende dort stehen, denn hier hatten wir Trinkwasser, Strom und eine gute Internetverbindung. Wir genossen die Aussicht auf den großen See mit Weinbergen und Obstplantagen im Hintergrund. Der Wasserstand muss früher deutlich höher gewesen sein. Von allen Grundstücken führten Bootsstege zum Wasser, die nun mitten auf dem Strand endeten und unter denen man aufrecht durchgehen konnte.

Am Montag fuhren wir nach dem Frühstück zunächst nach Las Cabras und Pichidegua um unsere SIM-Karten aufzuladen, einzukaufen und am Geldautomat Geld zu ziehen. Als wir bei der Bank in Pichidegua ankamen, war der Geldautomat leer. Um 16 Uhr sollte er wieder gefüllt werden.  Also hieß es warten. Wir spazierten durch die Straßen und sahen uns in einem Supermarkt um. Während es in Las Cabras keine chlorhaltigen Reiniger mehr gab, war das Regal dort voll damit, nur alkoholhaltige Desinfektionsmittel gab es hier nicht mehr.

Es wurde 16:30 Uhr bis wir Bargeld bekamen, um den Campingplatz bezahlen zu können (15.000 Pesos pro Tag). Als wir wieder am Campingplatz ankamen, war das Tor geschlossen. Nach mehrfachem Hupen kam der Besitzer und sagte, dass der Campingplatz geschlossen wäre und dass er uns nur reinlassen dürfte, wenn wir ein Gesundheitszeugnis der Municipalidad in Las Cabras vorlegen könnten. Als Dagmar ihm sagte, dass wir das gleich am nächsten Morgen besorgen würden und fragte, ob er uns einen Platz nennen könnte wo wir in der Nacht sicher stehen konnten, ließ er uns doch nochmal auf seinen Campingplatz fahren.

Abends bereiteten wir noch ein Schreiben für die die Municipalidad vor und wollten uns dann morgens früh auf den Weg machen. Bevor wir den Campingplatz verließen, zeigte Dagmar das Schreiben dem Campingplatzbesitzer und fragte, ob es verständlich wäre. Daraufhin sagte er, wir könnten auch ohne Gesundheitszeugnis bleiben, wenn wir uns ruhig verhalten und erstmal nicht rausfahren würden. Das war kein Problem, wir waren erleichtert. Wir hatte für ca. 10 Tage eingekauft und freuten uns, so zumindest das gute Internet nutzen zu können, um uns zu informieren und an unseren Berichten weiterzuarbeiten.

Das ging bis zum darauffolgenden Sonntag gut. Dann bekamen wir am frühen Nachmittag Besuch von den Carabineros. Sie wollten TIP, TUM und unsere Pässe sehen und sagten, dass alle Campingplätze in Chile geschlossen wären und wir den Platz verlassen müssten. Auf die Frage, wo wir denn sonst sicher stehen könnten, hatten sie keine Antwort. Wir könnten ja ausreisen, dafür seien die chilenischen Grenzen nicht geschlossen. Wir wiesen sie daraufhin, dass die Landesgrenzen der umliegenden Staaten für die Einreise geschlossen waren und wir unser Wohnmobil auf dem Seeweg nicht außer Landes bringen konnten. Nach unseren Informatione gab es von Chile keine RoRo-Verschiffung und Containerverschiffung war wegen der Höhe des Fahrzeugs nicht möglich. Sie telefonierten daraufhin mit mehreren Leuten und zogen dann ab.

Der Campingplatzbesitzer sagte uns, dass Nachbarn ihn angeschwärzt hätten und dass die Carabineros wiederkämen. Wir machten den MEXI reisefertig. Wolfgang hatte im Internet auf gob.cl eine eidesstattliche Erklärung für Einreisende bezüglich Covid19 gefunden und ausgedruckt. Diese Erklärungen füllten wir dann wahrheitsgemäß aus und unterschrieben sie. Als Adresse hatten wir „Casa Rodante“ angegeben. Irgendwann hörten wir es hupen, und uns war klar, dass die Carabineros wieder da waren. Diesmal waren es andere, wahrscheinlich die Vorgesetzten. Sie kamen mit Blaulicht. Wir öffneten die Tür und stiegen aus. Sie redeten sofort auf uns ein, irgendetwas von Covid 19, so richtig verstanden wir sie nicht. Dagmar holte unsere eidesstattlichen Erklärungen raus und drückte sie einem Carabinero in die Hand. Dieses Formblatt hatten sie noch nicht gesehen. Es war ein Farbausdruck mit dem Logo des Gesundheitsministeriums. Sie wollten wissen, wo wir das herhatten. Wir sagten aus dem Internet von gob.cl. Auch sie hatten keinen Vorschlag, wo wir hinkönnten. Aber sie hielten ein hoch offizielles Formblatt in Händen, um das sie nicht herumkamen. Schließlich sagten sie, dass wir auf dem Campingplatz bleiben dürften und zogen ab. Uns kam bestimmt zu Gute, dass wir uns schon seit dem 8. Februar in Chile aufhielten und vielleicht auch die zwei Buchstaben vor dem Namen. Eventuell gab es da ein Missverständnis, aber egal, wir waren erleichtert.

FORTSETZUNG FOLGT